Beim „Tag des Dialogs“ in der Arbeiterkammer haben wir Renate Anderl, die Präsidentin der AK Wien und der Bundesarbeitskammer, getroffen und zum Thema Digitalisierung interviewt.
Liebe Renate, die Arbeiterkammer beschäftigt sich derzeit sehr intensiv mit dem Thema Digitalisierung. Warum ist das Thema für die AK so wichtig? Anderl: Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren einen weitreichenden strukturellen Wandel in Gang gesetzt – in der Gesellschaft, wenn wir an uns alle und das Smartphone als ständigen Begleiter denken. Aber auch in der Arbeitswelt. Die dynamische Entwicklung von neuen digitalen Technologien stellt nicht nur ArbeitnehmerInnen sowie Unternehmen, sondern auch Betriebsräte und PersonalvertreterInnen vor neue Herausforderungen. Der digitale Wandel ist jedoch kein Naturgesetz. Er muss gestaltet werden – und zwar so, dass auch die Beschäftigten etwas davon haben. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern, den Gewerkschaften, dem ÖGB und BelegschaftsvertreterInnen schauen wir nach vorne und liefern Ideen für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Zeitalter des digitalen Wandels.
Wie soll die Mitgestaltung der Digitalisierung aussehen?
Anderl: Die Digitalisierung ist ein laufender Prozess, sie findet nicht von heute auf morgen statt. Dabei müssen die Beschäftigten „mitgenommen“ werden, ihre Fähigkeiten genutzt und von den Betrieben Weiterbildung angeboten werden. Zusätzlich fordern wir für alle ArbeitnehmerInnen das Recht auf eine bezahlte Weiterbildungswoche pro Jahr, denn wir sehen, dass die Beschäftigten in sehr unterschiedlichem Ausmaß von betrieblicher Weiterbildung profitieren. Es werden auch zukünftig Beschäftigte benötigt, die Systeme und Abläufe planen, warten, optimieren und neu programmieren. Ganz ohne die Ideen und Mitwirkung der Menschen werden sich auch neue Produkte und Trends nicht anpassen können. Man kann Beschäftigte von Routinetätigkeiten entlasten, ihre Tätigkeit dadurch abwechslungsreicher gestalten und Innovationen dazu nutzen, um die Handlungs-und Entscheidungsspielräume der Beschäftigten zu erweitern. Wir müssen gemeinsam alle Anstrengung dahingehend lenken, damit der digitale Wandel diese positive Richtung nimmt.
Wie siehst Du bei der Digitalisierung die Mitbestimmung der Betriebsräte und die Einbindung der Beschäftigten?
Anderl: Durch die veränderte Organisationsstruktur in der digitalisierten Arbeitswelt braucht es eine Ausweitung der Mitbestimmung, nicht eine Rücknahme, wie dies von Teilen der Wirtschaft und Industrie verlangt wird. Die Sicherstellung von Entscheidungsspielräumen im Arbeitsprozess, die Datensicherheit und Datenverwaltung werden eine wichtigere Rolle spielen. Die ArbeitnehmerInnen verlangen zurecht auch mehr Selbstbestimmtheit bei den Arbeitszeiten und faire Verdienstchancen. Aber auch die Beschäftigungssicherheit und Qualität der Arbeit wird für langfristig orientierte und innovative Unternehmen ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein. Die digitale Transformation birgt Chancen und Risiken. Der erfolgreiche Wandel in die neue digitale Wirtschafts- und Arbeitswelt kann nur gemeinsam im Rahmen der betrieblichen und überbetrieblichen Sozialpartnerschaft unter aktiver Einbindung der MitarbeiterInnen funktionieren. Die weitere Digitalisierung in den Unternehmen kann nur schrittweise stattfinden und benötigt im Rahmen dieses Prozesses auch eine sozial ausgewogene Miteinbeziehung der Beschäftigten.
Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Christian Reiseneder und Alexander Sollak.
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