Die Aufsichtsräte der Commerzialbank wehren sich gegen die Vorwürfe der Finanzprokuratur. Rund um den Skandal der burgenländischen Commerzialbank haben sich einige Diskussionen um Kontrollpflichten und Schuldzuweisungen ergeben. Wie sieht es mit der Kontrollpflicht der Aufsichtsräte aus und was macht der Aufsichtsrat genau? Dazu haben wir den TAG Staff Council Vorsitzenden und A1 Group Aufsichtsratsmitglied Alexander Sollak befragt.
Interview mit Alexander Sollak
Michelle Müller: Im Zuge der burgenländischen Commerzialbank-"Krise" würden wir gerne wissen, was die Aufgabe des Aufsichtsrats sind.
Alexander Sollak: Die gesetzliche Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, die Geschäftsführung, also unseren Vorstand, zu überwachen. Der Aufsichtsrat nimmt auch eine entscheidende Rolle bei strategischen Weichenstellungen für das Unternehmen ein. Die Unternehmensplanung, strategische Investitionsentscheidungen und die Grundsätze der Geschäftspolitik müssen vom Aufsichtsrat genehmigt werden. Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat auch für wichtige Personalentscheidungen wie die Bestellung und Abberufung der Vorstände oder die Ausgestaltung der Vorstandsverträge verantwortlich.
Michelle Müller: Welche Aufgabe hat ein AN-Vertreter im AR und gibt es weitere Themenfelder im AR (z.B. Ausschüsse).
Alexander Sollak: Ein Drittel aller Aufsichtsratsmitglieder werden gemäß den gesetzlichen Regelungen in Österreich von ArbeitnehmerInnenvertreter, also vom Betriebsrat/Personalvertretung gestellt. In der A1 Group gibt es einen 15-köpfigen Konzernaufsichtsrat – 10 Eigentümervertreter und 5 ArbeitnehmerInnenvertreter. Der Aufsichtsrat der A1 Österreich umfasst 4 Eigentümervertreter und 2 ArbeitnehmerInnenvertreter. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist gleichwertig, verfügt über eine Stimme und hat dieselben Rechte und Pflichten. Die ArbeitnehmerInnenvertreter sind in der Unterzahl und es ist daher kaum möglich, Entscheidungen gegen den Mehrheitswillen der Eigentümervertreter umzusetzen. Oder anders gesagt, es ist nur schwer möglich, Entscheidungen und Maßnahmen der Eigentümer zu verhindern. Nichts desto trotz ist die Entsendung von ArbeitnehmerInnenvertreter in den Aufsichtsrat eines der wichtigsten Mitwirkungsrechte für den Betriebsrat/die Personalvertretung. Über den Aufsichtsrat bekommen wir einen detaillierten und sehr tiefen Einblick in die wirtschaftliche Situation und die finanzielle Verfassung unseres Unternehmens. Wir sind in die wesentlichen strategischen Entscheidungen involviert und haben somit auch die Möglichkeit, unsere Sichtweise als ArbeitnehmerInnenvertreter einzubringen und mit zu diskutieren. In der Vergangenheit ist es uns manchmal gelungen, einzelne Maßnahmen abzufedern bzw. Entscheidungen zu einem gewissen Grad auch mit zu gestalten – aus meiner persönlichen Sicht jedoch noch viel zu wenig. Ich muss leider durchaus selbstkritisch anmerken, dass wir als ArbeitnehmerInnenvertreter im Aufsichtsrat insgesamt versuchen sollten, zukünftig professioneller und besser vorbereitet aufzutreten, um auch auf Augenhöhe mit den Eigentümervertretern diskutieren zu können. Es geht nicht darum, dass man als Personalvertreter die Aufsichtsratsfunktion auf seiner Visitenkarte stehen hat. Vielmehr sollte man sich intensiv mit den sehr umfangreichen AR-Unterlagen befassen sowie eine Strategie verfolgen und die ArbeitnehmerInneninteressen mit guten und nachhaltigen Argumenten in die Aufsichtsratssitzungen einbringen.
Neben dem Aufsichtsrat ist für uns als ArbeitnehmerInnenvertreter der Prüfungsausschuss sehr relevant. Dort werden interne Prozesse und die finanziellen Aspekte im Detail behandelt. Der Jahresabschluss samt Gewinn- und Verlustrechnung sowie unsere Unternehmensbilanz sind in dem Zusammenhang wichtige Schwerpunkte.
Michelle Müller: Wurde das Thema Kurzarbeit im AR besprochen bzw. wie steht der AR zu diesem Thema in Österreich?
Alexander Sollak: Zum Thema Kurzarbeit gab es im Konzernaufsichtsrat in den letzten beiden Sitzungen einen allgemeinen Bericht vom Vorstand. Was genau dazu im A1 Österreich Aufsichtsrat besprochen wurde, kann ich leider nicht sagen, da ich dort nicht AR-Mitglied bin. Da können sicherlich die KollegInnen der A1 Österreich Personalvertretung, die in den A1 Österreich Aufsichtsrat delegiert sind, mehr berichten. Trotz der Corona-Krise ist die Geschäftsentwicklung durchaus ok. Wir haben sehr gute Halbjahreszahlen abgeliefert. Es besteht daher aktuell keine wirtschaftliche Notwendigkeit, Kurzarbeit einzuführen.
Michelle Müller: Wie ist die Zusammenarbeit mit América Movil und was kannst du uns zum Syndikatsvertrag sagen? + wird dieser Voraussichtlich verlängert?
Alexander Sollak: Der Austausch mit den Eigentümervertretern von América Movil ist gegeben und durchaus ok. Insgesamt hat unser mexikanischer Mehrheitseigentümer 8 (von 15) Aufsichtsratsmitglieder im Konzernaufsichtsrat. Das ist so auch im Syndikatsvertrag zwischen América Movil und der Republik Österreich geregelt. Die mexikanischen VertreterInnen verfügen über sehr viel Know-how und Branchenerfahrung. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut sie bei den Aufsichtsratssitzungen vorbereitet sind. Es werden sehr viele Detailfragen gestellt, und die Markt-, Branchen- und Unternehmenskennzahlen studieren sie sehr akribisch bis in letzte Detail. Als ArbeitnehmerInnenvertreter haben wir bei manchen Themen (Dividende, Kollektivvertrag, Sparmaßnahmen,…) eine andere Sichtweise. Aber das ist normal, da wir auch unterschiedliche Rollen ausüben. Der Syndikatsvertrag läuft noch bis 2024. Es gibt die vertragliche Option, den Vertrag zu verlängern. Ob das passiert, ob der Vertrag einfach ausläuft oder ob es andere Vereinbarungen geben wird, ist heute noch nicht absehbar. Aber spätestens in zwei Jahren sollte sich die Republik Gedanken machen, was 2024 passieren soll. Wir werden uns als ArbeitnehmerInnenvertreter jedenfalls rechtzeitig aktiv einbringen, damit die Interessen unserer KollegInnen auch in den Diskussionen und Verhandlungen berücksichtigt werden können.
Vielen Dank für das Interview Alexander!
Zur Person: Alexander Sollak (42) kommt aus Wien und ist seit 2010 Vorsitzender der Personalvertretung und Mitglied des Konzernaufsichtsrats der Telekom Austria AG. Als Generalsekretär des A1 Europäischen Betriebsrats koordiniert Alexander seit 2015 die länderübergreifende Arbeitnehmervertretungsplattform im A1 Telekom Austria Konzern. Weiters unterrichtet er „wirtschaftliche Mitbestimmung“ in der AK-Betriebsräteakademie. Alexander ist seit 2012 ehrenamtlicher Laienrichter am Arbeits- und Sozialgericht in Wien. Neben dem Fachhochschulstudium Bank und Finanzwirtschaft absolvierte er auch Ausbildungen an der Donau-Uni Krems (Legal Studies), der WU-Executive Academy (Governance Excellence Program) und der LIMAK (Digital Transformation and Change Management). Zu seinen betriebsratsspezifischen Ausbildungen zählen die 3-monatige Betriebsräteakademie in Wien sowie die 10-monatige Sozialakademie der Arbeitskammer inkl. einem Auslandspraktikum bei der Arbeiterkammer in Brüssel.
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